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Kuscheln: Sie verdient ihr Geld mit Kuscheln
Das Gefühl der Einsamkeit und die fehlende, körperliche Nähe nehmen in der Schweiz zu. Ein Gefühl der Geborgenheit verschafft Sophie M. – gegen Bezahlung. Die Intimzonen sind dabei tabu.
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Darum gehts
Sophie M. ist diplomierte Kuscheltherapeutin. Die Zürcherin kuschelt gegen Geld.
Bei der Kuscheltherapie wird unter anderem gestreichelt, gehalten oder gedrückt. Die Intimzonen sind allerdings tabu.
Für Sophie ist das Kuscheln eine Art Gegengewicht zum Stress des Alltags.
«Viele Leute wissen gar nicht, dass es so etwas, wie ich anbiete, in der Stadt Zürich gibt», sagt Sophie M.. Die Zürcherin ist professionelle Kuschlerin – eine von wenigen in der Schweiz. Bei ihr Zuhause empfängt sie Klienten, die sich nach körperlicher Nähe sehnen oder einsam sind.
«Es sind meist Menschen bei mir,schon länger Single sind, Liebeskummer haben oder beruflich stark unter Druck sind», sagt Sophie. Sie alle haben aber etwas gemeinsam: sie wollen der Einsamkeit entkommen – und körperliche Nähe spüren.
Doch bevor gekuschelt wird, werden in einem Vorgespräch im Wohnzimmer die «Kuschelregeln» erläutert – damit es nicht zu Grenzüberschreitungen kommt. Sind die Regeln sowie die Bedürfnisse der Klienten geklärt, wird im Kuschelzimmer gekuschelt.
Kuscheln kann helfen
Fast jede zweite Person (42,3%) fühlt sich in der Schweiz einsam. Die schweizerische Gesundheitsbefragung zeigt, dass die Einsamkeit der Schweizerinnen und Schweizer in den letzten sechs Jahren zugenommen hat. Eine Umarmung kann da helfen.
Was etwas stumpf klingt, hat tatsächlich belegte Beweise. Eine Studie einer bekannten Krankenkasse, zeigt, dass Menschen, die noch am Tag der Befragung eine innige Umarmung erhalten haben, sich deutlich weniger einsam fühlen als solche, bei denen es vor über einem Monat zu einer Umarmung kam.
Kuscheltherapie
Bei der Kuscheltherapie wird absichtslose, nicht-sexuelle Berührung wie Streicheln, Halten, Kneten, Umarmen oder Drücken zur Förderung des Wohlbefindens, der Stressreduktion und zur emotionalen Unterstützung angewendet, so Sophie. Eine Stunde kostet bei ihr 130 Franken.
In der Schweiz sei das professionelle Kuscheln eine Nische «und auch etwas ein Tabu-Thema» findet Sophie. Die Kuscheltherapie sei 2009 in den USA erfunden und dort, aber auch in Grossbritannien, Deutschland und in Österreich bereits etablierter. «Die Schweiz hatte ja immer schon ihr eigenes Tempo mit neuen Trends», scherzt Sophie.
Manchmal kommt beim Kuscheln alles hoch
Sophies Klienten sind zwischen dreissig und sechzig Jahre alt. «Wie gekuschelt wird, hängt von der Person ab. Meist findet es im Liegen oder im Sitzen auf dem Bett statt. Es gibt etliche Kuschel-Positionen, und pro Sitzung werden zwei bis drei angewendet.Die bekannteste Position ist wohl die Löffelchenstellung» Das werde aber nicht geplant, sondern geschieht intuitiv. Wichtig sei das Bedürfnis der Klienten.
«Es gibt Klienten, die weinen, weil alles hochkommt – weil sie einen Todesfall verarbeiten müssen oder eine schlimme Diagnose erhalten haben.» Es gebe aber auch unbeschwerte und lustige Kuschelmomente, bei denen viel gelacht werde.
Vertrag hält Grenzen fest
Obwohl es zu inniger Nähe kommt, gibt es bei der Kuscheleinheit Sophies auch Grenzen – das spiele eine wichtige Rolle. «Die Intimzone ist tabu, wie auch unter die Kleidung greifen oder Küssen», so Sophie. Es müsse ein Vertrag unterzeichnet werden, der die Grenzen festlege. «Negative Erfahrungen habe ich noch nie gemacht.»
Käme es aber dazu, würde sieden Klienten darauf hinweisen und die Kuschelstunde gegebenenfalls abbrechen. «Auch meine Klienten dürfen sich vom Kuscheln lösen, sollte es ihnen zu weit gehen», hält Sophie fest.
Friedensdienst
Sophie sieht die Kuscheltherapie auch ein bisschen als Friedensdienst. «Wir werden täglich überflutet von negativen Nachrichten. Druck und Stress herrschen heutzutage mehr denn je im Alltag und im Berufsleben vor».
Die Kuscheltherapie biete dazu ein schönes Gegengewicht. «Beim Kuscheln kann man nichts falsch machen, einfach im Jetzt sein und sich fallen lassen.»
Lust auf Kuscheltherapie?
Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?
Hier findest du Hilfe:
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Lifewith.ch, für betroffene Geschwister
Verein Familientrauerbegleitung.ch
Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen
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